Mit der Zunahme der privaten Wildtierhaltung in Deutschland, ist auch die Zahl der sogenannten Tierbörsen drastisch gestiegen. Mittlerweile finden in Deutschland nicht nur jährlich hunderte dieser flohmarktähnlichen Veranstaltungen statt, sondern auch die größte Terrarienbörse Europas, die „Terraristika“. Für diese Veranstaltung reisen Händler und Käufer aus ganz Europa und aus Übersee ins nordrhein-westfälische Hamm.

Eingepfercht in kleine Plastikdosen, in denen sonst Essen am Imbiss verpackt wird, werden dort Wildtiere aus aller Welt wie Wühltischware verkauft. Artikel1Vielfach sind die Behältnisse so klein, dass die Tiere nur eingerollt hineinpassen. Sich ausstrecken oder umdrehen ist unmöglich. Damit die potentiellen Kunden die Ware besser sehen können, fehlt es den Tieren zumeist auch an geeigneten Rückzugsmöglichkeiten. Sie sind den neugierigen Blicken hunderter Besucher schutzlos ausgeliefert. Die ungewohnte Geräusch- und Geruchskulisse und die Nähe zu Fressfeinden stressen sie zusätzlich.

Da Wildtiere, anders als domestizierte Tiere wie Hunde oder Katzen, keinen entwicklungsgeschichtlichen Anpassungsprozess an ein Leben in der Nähe des Menschen durchlaufen haben, stellt für sie eine solche Situation eine erhebliche Belastung dar. Ihr biologisches Erbe vermittelt ihnen, dass sie in der Falle sitzen, ohne Möglichkeit zur Flucht oder sich zu verstecken. Ein unvorstellbarer Stress, auf den die Tiere ganz unterschiedlich reagieren. Manche versuchen verzweifelt den beengten Behältnissen zu entkommen, kratzen an dem durchsichtigen Deckel, andere drücken sich auf den Boden verhalten sich lethargisch oder verfallen in einen Schockzustand. Trotzdem wird die lebende Ware immer wieder aus den Behältnissen genommen und werbewirksam herumgereicht. Schleuderpreise von wenigen Euro pro Tier und Mengenrabatte fördern zusätzlich die Spontankäufe. Und so suchen manche Käufer erst später im Internet eine Antwort auf die Frage, welches Tier sie da eigentlich gekauft haben und von welchem Kontinent es wohl stammen könnte. Auch die Händler sind sich nicht immer sicher, welche Tiere sie im Angebot haben. Denn unter den zahlreichen frischen Wildfängen, die erst wenige Wochen zuvor der freien Natur entrissen wurden, sind mitunter auch unbekannte „Beifänge“. So wurde auf der Terraristika sogar schon eine neue Art entdeckt. Was nicht verkauft wird, packen die Händler am Abend wieder ein. Viele tingeln von Veranstaltung zu Veranstaltung, bis die Ware Tier verkauft oder tot ist.

Wen wundertArtikel 2 es angesichts dieser Umstände, dass viele Tiere schon kurz nach dem Verkauf versterben. Beispielsweise berichtet ein Reptilienkäufer, dass rund ein Viertel seiner bei der „Terraristika“ gekauften Tiere kurze Zeit später tot war. Andere Tiere überleben noch nicht einmal den Börsentag. So ist es schon vorgekommen, dass auf dem Parkplatz eine tote Schlange entsorgt wurde.

Für bundesweite Schlagzeilen sorgte jedoch eine andere Schlange. Im Jahr 2010 entkam in Mülheim an der Ruhr eine Monokelkobra ihrem erst 19 jährigen Halter und verursachte einen Großeinsatz der Feuerwehr. Der Teenager hatte die hochgiftige Schlange erst wenige Wochen zuvor auf der „Terraristika“ für nur 70 Euro gekauft. Die Kosten der Suchaktion der Feuerwehr beliefen sich auf über 50.000 Euro. Giftige Schlangen, Spinnen und Skorpione werden auf der „Terraristika“ frei an jedermann verkauft. Denn selbst für den Kauf eines Tieres, dessen Biss unweigerlich tödlich ist, braucht man keine Genehmigung. Auch mit den Sicherheitsmaßnahmen hapert es. Während die Schlangen in einem abgetrennten „Gifttierraum“ angeboten werden, stehen die kleinen Dosen mit Giftspinnen- und -skorpionen mitten im Menschengewühl. Mitunter sogar ohne jeglichen Hinweis auf ihre Giftigkeit.

Allgemein nimmt man es nicht so genau mit der Kennzeichnung. Häufig fehlen diese, sind unzureichend oder sogar falsch. Vielleicht ist das auch beabsichtigt, gilt doch gerade die „Terraristika“ Ermittlern als einer der Hauptumschlagplätze für den illegalen Handel mit vom Aussterben bedrohten Arten. Erst im letzten Jahr wurde ein Tierhändler, der regelmäßig auf der „Terraristika“ verkaufte, zu einer Bewährungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Artenschutzrecht verurteilt. Über Jahre verkaufte er illegal tausende artgeschützte Tiere. Ein Netzwerk von Helfern fing die Tiere in seinem Auftrag aus der freien Wildbahn und lieferte sie gegen Bares ab. Besonders im Vorfeld der „Terraristika“ soll er laut Aussage der Ermittler auf zügige Lieferung begehrter Arten gedrängt haben. Kein Einzelfall, im Jahr 2009 wurde an der Schweizer Grenze ein Mann bei dem Versuch 164 Vogelspinnen außer Landes zu schmuggeln vom Zoll aufgegriffen. Er war auf dem Weg zu einer deutschen Tierbörse. 2011 wurden bei einer Zollkontrolle von nur 110 Autos im Umfeld der „Terraristika“ 14 besonders geschützte Tiere ohne entsprechende Ausnahmegenehmigungen entdeckt und beschlagnahmt.

Die zahlreichen Probleme auf Wildtierbörsen haben die Politik aktiv werden lassen. Im Juni 2006 veröffentlichte das BMELV die allerdings nicht rechtsverbindlichen „Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“. Es sind lediglich Orientierungshilfen für Veranstalter, Aussteller und Vollzugsbehörden. Jedoch hat sich gezeigt, dass diese in der Praxis in großem Umfang ignoriert werden. Doch selbst wenn Leitlinien eingehalten würden, wäre der Verkauf von empfindlichen Wildtieren bei Tierbörsen nicht mit dem Tierschutz vereinbar.

animal public fordert:

  • Ein gesetzliches Verbot von Wildtierbörsen, da diese für die Tiere mit erheblichen Leiden verbunden sind und dazu beitragen, dass die empfindlichen Tiere in nicht fachkundige Hände gelangen.
  • Ein gesetzliches Verbot des Imports von Wildtieren für die Privathaltung. Es gibt keinen vernünftigen Grund, weshalb empfindliche Wildtiere unter Bedingungen gehalten werden sollten, die ihren natürlichen Bedürfnissen noch nicht mal annähernd entsprechen.
  • Ein Nachzuchtverbot von Wildtieren für die Privathaltung, da eine artgerechte Haltung der Tiere in Gefangenschaft nicht möglich ist.