Als ich ein kleines Mädchen war, kam eine entfernte Tante zu Besuch. Es war Winter und sie trug etwas Merkwürdiges um Hals und Schultern. Als sie sich zu mir herunterbeugte, um mich zur Begrüßung zu küssen, schrie ich auf und wich entsetzt zurück. Ich hatte in die starren Augen eines Tieres geblickt. Die Erwachsenen lachten und wollten mich beruhigen. Der ist doch tot, der Fuchs, der tut dir doch nichts!

Eben, er war tot. Das hatte das Kind sofort begriffen und deswegen war es ja den Tränen nahe. Dieser bedauernswerte Fuchs mit seinen herunterhängenden, schlappen Pfötchen, den glasigen Augen und der glänzend schwarzen Schnauze, mit der er sich selbst in den Schwanz biss. Ein Bild, das sich tief ins kindliche Gedächtnis eingegraben hat.

Neulich ist es mir wieder begegnet – dieses Bild des Jammers. Ein Berliner, der sich gerne Künstler nennen läßt, hat diese mottenzerfressene Mode-Idee wiederbelebt. Füchse, Füchse, überall tote Füchse mit bunten Glasaugen! Nur sollen sie nicht ein altbackenes Schneiderkostüm, wie das meiner Tante, zur Geltung bringen, sondern die nackte Haut aufgehübschter Models – weiblichen wie männlichen.

Oh, ja, modebewusste Menschen sollen sich schmücken, wenn ihnen danach ist. Aber mit Tierleichen? Auf nackter Haut? Da kann es einem doch nur kalt den Rücken herunterlaufen.

Der Modekünstler muß geahnt haben, dass ihm derlei Vorbehalte begegnen werden. Denn er propagiert seine Fuchskreationen kaltblütig als „Öko-Pelz“. Frisch und frei aus der Natur, statt aus der Zuchtfarm. Die angeblich so ökologisch korrekte Fuchspelz-Ernte werde von verantwortungsbewußten Jägern durch kontrollierte Jagd in heimischen Revieren vorgenommen. Sogar ein großer Naturschutzverband habe dazu seine Segen gegeben.

Da horchen passionierte Fuchsjäger auf. Die soll es geben – sie bezeichnen sich sogar selber so. Seit die Tollwut erloschen ist, die unzähligen Füchsen das Leben gekostet hat, sehen sie nämlich rot, fuchsrot. Nichts als Füchse, Füchse, die sich an des Jägers Beute gütlich tun wollen! Dass Reinekes Hauptnahrung aus Mäusen und anderem Kleingetier besteht, wird in Jagdkreisen geflissentlich ignoriert. Angeblich muss der „roten Freibeuter“ kurzgehalten werden, sonst … Ja, was sonst? Durch die Öko-Pelz-Propaganda wittern Hobby-Jäger endlich wieder die Chance, ein paar Kröten für einen „reifen Fuchsbalg“ zu verdienen. Der hatte nämlich jahrelang keinen Marktwert, wurde vergraben oder landete auf dem Müll.

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass Jäger angewiesen sind, beim Hantieren mit Fuchsleichen Handschuhe und Mundschutz zu tragen, um nicht mit Eiern des für Menschen lebensbedrohlichen Fuchsbandwurms in Berührung zu kommen oder sie einzuatmen.

Wäre es möglich, dass die sogenannten Öko-Pelze auch in dieser Hinsicht nicht ganz koscher sind?

Inzwischen machte der schon erwähnte Naturschutzverband einen etwas g’schamigen Rückzieher in Sachen „Öko-Pelz“. Offensichtlich roch es ihm ein wenig zu sehr nach Vereinnahmung durch einen geschäftstüchtigen Designer. Obwohl dessen Geschäftsidee recht gut mit der in Öko-Kreisen propagierte „nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen“ harmoniert. Im Prinzip passt doch alles: Der Fuchs ist keine vom Aussterben bedrohte Tierart, kann also bedenkenlos gnadenlos bejagt werde. Die Hobby-Jagd wird von Naturschützern in der Regel akzeptiert, solange die getöteten Wildtiere einer vernünftigen Verwertung zugeführt werden. Damit ist wohl in erster Linie der Kochtopf oder die Bratpfanne gemeint. Ob es vernünftig ist, sich Fuchsfelle um den Hals zu hängen, naja, das wäre eine Streitfrage. Trotzdem, die Nähe zu Kommerz und Luxus könnte Spender abschrecken. Die sind ja auch nicht selten der Meinung, wer sich für den Natur- und Artenschutz engagiert, dem müssen auch Tierschutzbelange am Herzen liegen. Ein Irrtum, der fatal sein kann…

Niemand, auch nicht der Mode-Schöpfer mit seiner Mickey-Maus Vorstellung von Ökologie, kann allen Ernstes der Auffassung sein, dass Pelze auf Bäumen wachsen, die man nur schütteln muß, um ihrer habhaft zu werden. Die „Pelzernte“ bedeutet immer Angst, Qual und Tod von Wildtieren. Und Füchse, aus denen Pelze werden sollen, bringt man mit Sicherheit nicht mit Schüssen um. Durchlöchert, deformiert und blutig wären sie für diesen Zweck unbrauchbar. Sie werden in Totschlagfallen gefangen, gequält, getötet. Entgegen landläufiger Meinung ist der Einsatz von Schlagfallen, diesen mittelalterlichen Folterwerkzeugen, immer noch erlaubt. Nur im Land Berlin wurden sie inzwischen verboten. Aber auch Lebendfallen sind nicht „tierfreundlicher“. Denn auch hier muss das gefangene, gestresste und oft vor Angst halb wahnsinnige Tier vom Leben zum Tod gebracht werden. Selbstverständlich nach guter jägerischer Praxis. Wie die aussieht, das ist wahrhaftig nichts für empfindsame Gemüter …

Aber davon redet niemand. Und das macht mich fuchsteufelswild!

© Karin Hutter, 08.01.2009