Achtung, die Täter sind bewaffnet!
Dass Wölfe keine Wildnis brauchen, dürften inzwischen auch die wissen, die nichts von ihnen wissen wollen. Gemeint sind die Hobby-Jäger. Aber auch viele Nutztierhalter hassen diese gelegentlichen Mitesser und sehen sie am liebsten tot. Der Wolf ist nach EU-Recht und Bundesnaturschutzgesetz eine streng geschützte Tierart. Jegliche Verfolgung und Tötung ist illegal und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder 50 000 Euro geahndet werden. Kann! Das schreckt die bewaffneten Täter aber nicht ab. Sie fühlen sich offensichtlich gut gedeckt und im Einklang mit der Stimmung vor Ort. Bisher verliefen die meisten Ermittlungen im Sande. Und immer wieder werden erschossene Tiere entdeckt … Sie wurden nicht entsorgt, oder verscharrt und landen wohl auch nicht an der Trophäenwand, sondern liegen meist offen auf dem Präsentierteller. Eindeutig als Ausrufezeichen!
Laut Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz wurden seit 2009 allein in Sachsen sieben illegal getötete Wölfe entdeckt. Der letzte erst am 26.07.2015. Ein junger Rüde. In sechs Fällen wurden die Tiere erschossen. Ein Wolf wurde nachweislich – unglaublich, aber wahr, in voller Absicht überfahren.
Gut zu wissen: 2012 wurde in Sachsen unter Protest der Tier- und Artenschützer auf heftiges Drängen der Jäger-Lobby der Wolf ins Landesjagdrecht übernommen. Der damalige Umweltminister, selbst mit Jagdschein, stimmte zu. Seitdem zählt der Wolf in diesem Bundesland zum jagdbaren Wild, natürlich ohne Jagdzeit. Natürlich! Durch diesen Winkelzug könnte für den Wolf, sollte es aus Jägersicht nötig werden, problemlos eine Jagdzeit eingeführt werden. Es sieht ganz so aus, als wollten einige Hobby-Jäger Sachsens nicht so lange warten und machen jetzt schon, was sie für richtig halten – missliebige Wölfe schießen.
In Brandenburg sind es ebenfalls sieben erschossene Wölfe, allerdings über einen längeren Zeitraum. Wobei die letzten beiden Fälle besonders brutal und ziemlich mysteriös sind. 2014 wurden innerhalb weniger Monate, im August und Dezember, zwei erschossene Tiere gefunden – beide mit fachmännisch abgetrenntem Kopf. Das erste geköpfte Opfer wurde bei Lieberose (Dahme-Spreewald), das zweite Opfer, eine junge Wölfin, an der Landesgrenze zu Sachsen entdeckt. Ob ein Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen besteht, wurde von Ermittlern des Landeskriminalamtes geprüft. In beiden Fällen wurde um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten. Mit dem Tenor: Wo wurde in letzter Zeit ein Wolfskopf als Trophäe präpariert oder bei wem hängt neuerdings eine solche Trophäe an der Wohnzimmerwand … Es ist nicht anzunehmen, dass das etwas erbracht hat. Da müssen schon andere Kaliber aufgefahren werden, bis einer singt.
Weshalb gerade im Osten der alte Wolfshass dermaßen aufflackert, könnte an den Gepflogenheiten und dem Umgang mit Wölfen in der DDR liegen. Da war Canis lupus nämlich ein Schädling und ein Todeskandidat. Wo er auftauchte, wurde scharf geschossen. Der Wolf war jagdbar, noch nicht einmal eine Schonzeit wurde ihm zugebilligt. So kam es denn, dass die großen Jäger des Arbeiter- und Bauernstaats ganz nebenbei jeden Wolf zur Strecke brachten, der es geschafft hatte, aus dem Osten kommend, die Grenzen zu überwinden. Eindeutig wurde durch DDR-Jäger die Rückkehr des Wolfs in seine alte Heimat verhinderten.
Nach der Wende sollte aus dem verfemten, gehassten „Schädling“ plötzlich ein unter Schutz stehender Einwanderer werden – mit den bekannten Folgen. Offenbar reicht ein Vierteljahrhundert nicht aus, um manche Menschen von eingefleischten Vorurteilen zu befreien. Besonders da, wo sie noch gepflegt werden.
Und im Westen?
Die Jäger hetzen hier den Wolf zwar nicht offen, und die Ausrede „ich dachte, das sei ein wildernder Hund“, hat wohl – gegen eine kleinere Geldstrafe – schon manchen Jagdschein gerettet. Aber Jäger hetzen gegen alle, die sich über die Einwanderer freuen. Für sie sind das dumme Städter, Bambi-Streichler, die Wölfe nur aus dem Fernsehen kenne und Wolfswelpen süß finden. Diese lodengrünen Anti-Wolf-Agitatoren wollen Angst und Schrecken verbreiten, Unruhe stiften, die Zunahme und Verbreitung der Wölfe aufhalten. Abstruse Szenarien werden in die Welt gesetzt, in der jägerischen „Fachpresse“ kommentiert und schließlich auch noch von anderen Medien verbreitet.
So taucht in schöner Regelmäßigkeit die Behauptung auf, Tier-, Natur- oder Artenschützer, Wolfsfreunde eben, würden eigens gezüchtete Tiere im Auto in passende Gebiete transportieren, um sie dort freizulassen. Das sind dann die immer wieder in Rede stehenden „Kofferraum-Wölfe“.
In diesem Zusammenhang wahrlich zum Schießen ist aber noch eine andere Meldung, die ein Jäger-Magazin verbreitete: An der deutsch-polnischen Grenze sei ein Transporter sichergestellt worden, der Schmuggelgut enthielt – auf der Ladefläche hätten sich u.a. mehrere Wölfe befunden, die zur Auswilderung auf deutschen Truppenübungsplätzen vorgesehen seien. Na, wer sagt’s denn? Dass es sich um astreines Jägerlatein handelte, bestätigte die Pressestelle der Bundespolizeidirektion in Berlin. Bei den an der Grenze beschlagnahmten „Steppenwölfen“ handelte es sich nämlich um Mountainbikes des gleichnamigen Herstellers … Peng!
Da enthält die Story von dem Jäger, der sich im Dunkel seines Reviers von einem Wolf bedroht fühlt und einen Warn-Schuss in den Boden abgibt, vielleicht noch ein Körnchen Wahrheit. So wie er das Verhalten des Tieres beschreibt, war das tatsächlich ein Canidae, aber nicht Canis lupus, sondern Canis lupus familiaris, ein flüchtender Haushund!
Dies wird auch in der Antwort des zuständigen Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz auf eine Kleine Anfrage der CDU sehr deutlich:
Hier der erhellende Text in Auszügen:
Zitat: „Allerdings zeichneten sich bereits in der Darstellung des Berichterstatters sowohl innerhalb der ersten Darstellung als auch zwischen den Darstellungen einige Zweifel an deren Richtigkeit ab.
Diese Spurensuche erbrachte eine Vielzahl verschiedener und verschieden alter Tier- und Menschenspuren. (…)
Unter den Spuren in unmittelbarer Umgebung des Orts des geschilderten Geschehens fand sich keine Wolfsfährte.
Eine Canidenfährte fand sich dagegen in der weiteren Umgebung. Diese war sehr gut verfolgbar, ihr Verlauf wäre ohne Störung in einigem Abstand zum Hochsitz in gerader Linie an diesem vorbei gelaufen, wies aber eine deutliche Abweichung weg vom Hochsitz auf, der in einem ungefähren Halbkreis vom Caniden umschlagen wurde, bevor dieser seine vorher eingeschlagene Richtung wieder aufnahm. (…) Am Ort des Geschehens festgestellte Tierhaare wurden genetisch untersucht und konnten einem Fuchs zugeordnet werden.
Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass die Schilderungen des Jägers mit den durch Spuren nachvollziehbaren tatsächlichen Vorkommnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.“
Zitat Ende
Es ist ganz offensichtlich, den Jägern brennt der Hut! Anders ist nicht erklärlich, warum plötzlich ein weiteres abenteuerliches Märchen aufgetischt wird: Die zahlreichen toten Wölfe, die immer wieder in bestimmten Regionen entdeckt werden, wurden gar nicht dort erschossen, sondern wurden schon tot angekarrt und so abgelegt, dass man sie finden muss. Aus dem einzigen Grund, die Wolfstötungen den Jägern vor Ort in die Schuhe zu schieben und sie unter Generalverdacht zu stellen …
Noch Fragen?
© karin hutter, August 2015
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