Man hätte es sich denken können: Kaum gibt es hierzulande ein paar bestätigte Wolfsrudel und da und dort einen gesichteten Wanderwolf, wird die alte Angst vorm bösen Wolf wieder geschürt. Gefährliche Raubtiere sind unter uns! Rotkäppchen lässt schön grüßen. Und wo Hobby-Jäger rudelweise auftreten, sei es auf Jägertagen, Trophäenschauen oder am Stammtisch, fordern sie lautstark „Wölfe rein ins Jagdrecht!“ Dem möchte ich entgegen halten: Hobby-Jäger raus aus Wolfs Revier!
Wölfe dürfen nicht weiterhin Gefahr laufen, von einem Waffenträger ums Leben gebracht zu werden, sei es vorsätzlich oder aus Versehen. Und ver- sehen haben sich nachweislich nicht wenige Waidmänner, seit der Wolf versucht, bei uns wieder heimisch zu werden. (Liste der Todesschüsse)
Den jüngsten Todesschuss – zielgenau in den Kopf eines jungen Wolfsrüden, feuerte kürzlich ein Gastjäger in Sachsen-Anhalt ab. Widerrechtlich, illegal und in Anwesenheit von Zeugen. Zudem noch während einer Bockjagd mit über 50 Teilnehmern! Angeblich hielt der Jäger den Wolf für einen Hund, der hinter einem Reh her war. Schon aus diesem Grund ist es höchste Zeit, dass Jägern das Recht genommen wird, auf Hunde zu schießen. Grundsätzlich! Und das nicht nur in Wolfs Revier, sondern bundesweit.
Es stimmt schon: Auf den ersten Blick haben es Wölfe und Jäger auf die gleiche Beute abgesehen- hauptsächlich Reh, Hirsch und Wildschwein. Allerdings jagen Wölfe völlig anders als Menschen mit Jagdschein. Sie sind eher hinter schwachen, kranken, jungen oder alten Tieren her und nicht hinter besonders prächtigen oder skurrilen Trophäenträgern. Und zweifellos verändert sich durch die Anwesenheit von Wölfen das Verhalten der Beutetiere. Sie werden scheuer. Sie flüchten eher. Sie sind öfter in Bewegung. Jäger haben mehr Aufwand, zu Schuss zu kommen. Schon aus diesem Grund sind Wölfe für die meisten Hobby-Jäger ein ständiges Ärgernis. Sie sehen ihr Revier durch ihre Anwesenheit nicht auf – sondern abgewertet!
In Sachsen hatten Jäger durch die angeblich explosionsartige Vermehrung der Wölfe tatsächlich die Stirn, wegen verringerter Ertrags-Chancen Entschädigungsanspruch anzumelden, genauso wie Schafhalter, die da und dort Tiere durch Wölfe verlieren. Da mussten sie sich schon sagen lassen, dass ihnen keine Entschädigung zusteht, weil die Hobby-Jagd kein Erwerbszweig ist und lebendes Wild als herrenlos gilt und nicht dem Jäger gehört.
Auch das Jäger-Argument, der Wolf sei im Jagdrecht besser geschützt, ist völlig absurd. Da sollten diejenigen, die sich bei jeder Gelegenheit mit ihrem „Grünen Abitur“ brüsten, schnellstens Nachhilfeunterricht nehmen. Der Wolf genießt nämlich schon jetzt den höchsten Schutzstatus, den unsere Gesetze hergeben. Daran würde sich auch im Jagdrecht nichts ändern. Selbst das Strafmaß bliebe gleich. (Die fünfjährige Höchststrafe wurde allerdings noch nie nach einem illegalen Wolfsabschuss verhängt). Der Wolf unterliegt dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen, er ist zudem durch die Berner Konvention sowie durch das Naturschutzgesetz und die Artenschutz-Verordnung geschützt. Beim Wolf handelt es sich um das seltenste Säugetier Deutschlands und er gilt als vom Aussterben bedroht. Was soll er zusätzlich auf der Liste jagdbarer Tierarten – wenn auch zunächst ohne Jagdzeit?
Wäre der Wolf dem Jagdrecht unterstellt, würde die Zunahme des Bestandes – ob nun jägerisch gefühlt oder nachweislich, Begehrlichkeiten wecken. Es wäre dann nur ein kleiner Schritt, eine Jagdzeit einzuführen. Hobby-Jägern sollte aber nicht die Entscheidung überlassen werden, ob eine Wolfspopulation eine Bejagung verträgt oder wann und wo sich angeblich zu viele Wölfe aufhalten und welche, wie viele, entnommen werden können oder müssen.
Zudem würde die Hemmschwelle für illegale Wolfsabschüsse gesenkt. Die Möglichkeit zur Vertuschung wäre noch größer als jetzt schon. Nach dem Motto: was wir einmal haben, das gehört uns und damit können wir im Dunkel der Reviere machen, was wir für richtig halten. Und die drei „S“, nämlich schießen, schaufeln, schweigen, wären noch leichter anwendbar.
In Sachsen wurden zwischen 2000 und 2008 nachweislich achtzig Wolfswelpen geboren. Aber nur acht tote Tiere sowie ein verletzter Jungwolf wurden wieder aufgefunden. Die übrigen sind verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Gut möglich, dass sich einige auf leisen Sohlen davon gemacht haben. Zurück nach Polen, wo sie ursprünglich herkamen. Aber der Verdacht, dass nicht wenige mit Vorsatz oder als wildernde Hunde erschossen und beseitigt wurden, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Zeitung mit den blutroten Überschriften weiß es aber besser. Sie zitiert am 26.05.09 unter dem Titel „Die Wolfs-Lüge“ , was Jäger angeblich seit langem behaupten: „Bei uns leben mindestens 100 der gefährlichen Raubtiere!“
Wenn der Wolf im Jagdrecht wäre, könnte auch das eigenmächtige Töten von verletzten, in der Jägersprache kranken Individuen, als waidgerechte Hege-Abschüsse ausgegeben werden. Obwohl bekannt ist, dass sich auch verletzte Wildtiere durchaus wieder erholen oder mit ihrer Verletzung leben können. Ob ein Wolf eine Chance auf Genesung hat, behandelt werden kann oder getötet werden muss, soll und kann nicht ein Hobby-Jäger, sondern nur ein Tierarzt beurteilen.
Ich bleibe dabei: Hobby-Jäger raus aus Wolfs Revier! Die Zunft, die den Wolf einst ausgerottet hat, sollte nicht noch einmal das Recht bekommen, über Leben oder Tod dieses faszinierenden Wildtiers zu entscheiden.
© 26.06.2009 – Karin Hutter
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