Der Asylant hieß Wolf und war auch einer. Während sich vor Jahren westliche Wissenschaftler die Köpfe heiß redeten, wo denn wohl der Bevölkerung eine Wiederansiedlung zugemutet werden könnte, hatte der sich längst aufgemacht.

Hatte aus dem Osten kommend die Grenze überquert, und war ohne wissenschaftlichen Segen und offizielle Erlaubnis in das Land
eingewandert, das damals DDR hieß. Heimlich und unbemerkt, doch immer unter Lebensgefahr. Hin und wieder ist es einem Einzelgänger gelungen, bis nach Mecklenburg und Brandenburg vorzudringen. Doch Asyl wurde nicht gewährt. Wo er auftauchte wurde scharf geschossen. Von Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht keine Spur. Canis lupus war jagdbar wie eh und je, noch nicht einmal eine Schonzeit wurde ihm zugebilligt. So kam es denn, dass die großen Jäger des Arbeiter- und Bauernstaats ganz nebenbei einen nach dem anderen zur Strecke brachten, und damit die Rückkehr des Wolfs in seine alte Heimat verhinderten. Zu einer Zeit, wo auf internationalen Symposien aufwendige Programme zur Rettung der letzten Wölfe Europas beschlossen wurden und sich ihr Bestand in klassischen „Wolfsländern“ an den Fingern einer Hand abzählen ließ.

Mit der Vereinigung wendete sich auch dieses Blatt. Der Wolf erhielt sein Recht. Wiedergutmachung war angesagt. Aus dem Gejagte, Verfolgten, Verfemten wurde über Nacht ein vom Aussterben Bedrohter, der unter dem besonderen Schutz des Staates steht. Jagd ist seither verboten. Töten illegal und strafbar. So steht es jedenfalls auf dem Papier.

Willkommen Asylant? Nicht so hastig! Zunächst die Auflagen: Benimm dich gut, sei unauffällig. Vergreif dich nicht an unserem Vieh. Such dir eine Nische und komm uns nicht in die Quere. Ängstige unsere Frauen und Kinder nicht. Und vor allem, schweig still. Deine Stimme jagt uns kalte Schauer über den Rücken – schon seit altersher. Illegale erhalten Bleiberecht. Vorläufig. Ein Anspruch auf Einbürgerung ist damit nicht verbunden. Wer weiß, wie viele noch nachdrängen. In diesem Fall müssten wir allerdings drastische Maßnahmen ergreifen…

Kurze Zeit später, im Mai 1991, rauschte es gewaltig im Blätterwald. Was die Wiedervereinigung nicht alles vermag, selbst Totgesagte kehren zurück. In Brandenburg wurden Wölfe gesehen, Wölfe mitten im Mai! Das waren Schlagzeilen. Manche trieften rot, blutig rot. Was fast unterging. Der Wolf machte erst Medienkarriere, nachdem man vier seiner Artgenossen umgebracht hatte. Und es waren wie in historischer Zeit Jäger, die die Todesstrafe vollzogen. Grundlos, sinnlos und in jedem Fall widerrechtlich. Aber das war schon nicht mehr der Rede wert.

1. Mai 1991 in Perleberg. Ein junger, scheuer Wolfsrüde wird im Beisein des örtlichen Zoodirektor und der Polizei von einem Revierjäger erschossen. Dass Tier hatte sich in der Nähe des Zoos herumgetrieben und Kontakt mit seinen eingesperrten Artgenossen gesucht. Gefahr im Verzug! Hastig – als müsse man anderen Lösungen zuvorkommen, wird das Todesurteil vollstreckt. Aufgrund widersprüchlicher Angaben der Beteiligten war es offenbar unmöglich, eine passende Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen
zu finden. Der Fall zog keine rechtlichen Konsequenzen nach sich.

3. Mai 1991. Ein Jäger, der im Kreis Bernau auf der Pirsch ist, entdeckt den nächsten Wolf. Er feuert ohne zu zögern. Seine Schutzbehauptung, er habe das Tier für einen wildernden Hund gehalten, ist anscheinend nicht besonders glaubwürdig. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wird eingeleitet – und alsbald wieder eingestellt.

Zwei Wochen später, am 17. Mai 1991, erschießt ein Berliner Jäger bei Buckow, zwischen Pritzhagen und Ihlow, den dritten Wolf. Und obwohl sich nach seinen Aussagen in Begleitung dieses Tieres noch ein zweites gleichaussehendes befunden hatte, bleibt er bei der Behauptung, er habe den Wolf für einen wildernden Hund gehalten. Um den Skandal perfekt zu machen: Das zweite Tier, das ihm nur zufällig durch die Lappen ging, war eine Wölfin, die Saugwelpen zu versorgen hatte. Sie konnte von einem glaubwürdigen Zeugen kurz nach dem gewaltsamen Tod ihres Partners mit etwa acht Wochen alten Jungen in der Nähe des Tatorts beobachtet werden. Nur diese Nachricht wurde der Öffentlichkeit als kleine Sensation präsentiert. Was totgeschwiegen wurde: Die Jungen sind durch den Verlust des Vaters, dem bekanntlich eine tragende Rolle bei der Jungenaufzucht zukommt, mit großer Sicherheit verhungert. Für den Jäger, der die Jungen wie auch den Vater auf dem Gewissen hat, blieb die (zumindest) fahrlässige Tötung einer besonders geschützten Tierart ohne Folgen. Der erschossene Wolfsrüde wurde nach Dresden verfrachtet und vom Staatlichen Museum für Tierkunde
untersucht. Es handelt sich ohne Zweifel um einen „echten“ Wolf in den mittleren Jahren.

Am 24. Mai 1991 in Zepernick: der vierte tote Wolf – ein junger Rüde. Das verletzte, stark hinkende Tier hatte sich, in die Enge getrieben, in den Keller eines Wohnhauses geflüchtet. Es wird wegen Tollwutverdachts erschossen. Die Obduktion ergibt eine doppelte Oberschenkelfraktur der linken Hinterhand, was auf einen Verkehrsunfall schließen lässt. Tollwut lag nicht vor. Die Tatsache, dass dieser verängstigte und an Schmerzen leidende Wolf die Nähe des Menschen suchte, gab Anlass, heftig über seine Herkunft zu spekulieren.

Für eine Weile verschwand das Thema aus den Schlagzeilen. Bis am 27. August 1993 ein Wolf auf dem nordöstlichen Autobahnring um Berlin – etwa 15 km vom Kurfürstendamm entfernt – überfahren wird. Während sich ängstliche Naturen schon von Wolfsrudeln umzingelt sehen, und eine süddeutsche Tageszeitung ihre Leser auf eine mögliche Wolfsinvasion in die bayerische Landeshauptstadt vorbereitet, haben sich andere längst einen passenden Reim darauf gemacht. Schuld an der Wolfsplage, unter der besonders Brandenburg zu leiden habe, sei – wen wundert`s – der Russe. Abziehende GUS-Soldaten hätten ihre Wolfshybriden, Hunde-Wolfsmischlinge, einfach zum Teufel gejagt, die sich nun ungeheuer vermehrten und Brandenburg unsicher machten. Von Plage ist die Rede und von Gefahr. Dass sie nur durch beherztes Eingreifen von Jägern gebannt werden kann, muss nicht ausdrücklich betont werden.

Nein, es sei nicht zutreffend, teilt das brandenburgische Umweltministerium auf Anfrage mit, dass sich Wolfshybriden ausbreiteten und zur Plage geworden seien. Nicht auszuschließen sei jedoch, dass tatsächlich einzelne Wolfshybriden oder sogar Wölfe von GUS-Soldaten bei ihrem Abzug in Brandenburg ausgesetzt und zurückgelassen wurden.

Dann wird es wieder still an der östlichen Wolfsfront – verdächtig still. Bis sich nicht mehr verheimlichen lässt, dass am 23. Juli 1994 bei Gandenitz, nordwestlich von Templin in der Uckermark, der sechste Wolf zu Tode kam. Er wurde von einem Jäger aus Nordrhein-Westfalen „mit einem sauberen Blattschuss als wildernden Hund erlegt“. Der saubere Waidmann, ausgestattet mit einem Begehungsschein für diesen Bezirk, saß nach Sonnenuntergang auf Füchse an. In sicherer Schussentfernung hatte er Schlachtabfälle als Lockspeise deponiert. Als sich anstelle des erwarteten Fuchses ein riesenhafter Wolf dafür interessierte, muss der frustrierte Fuchsjäger rot gesehen und abgedrückt haben. Es hätte ja auch ein Schäferhund sein können. Zum Abschuss wildernder Hunde war der
Gastjäger angeblich autorisiert.

Die nächste Nachricht vom gewaltsamen Tod eines siebten Wolfs kommt aus Ostbayern. Am 7. Dezember 1994 entdecken zwei Beamten des Bundesgrenzschutzes unweit der tschechischen Grenze zwischen Bayerisch Eisenstein und Zwiesel ein Tier, das sie für eine streunenden Schäferhund halten. Der große kräftige Schäfermischling, der auf der Straße trottet, kommt den Grenzschützern merkwürdig desorientiert und verwirrt vor. Gefahr in Verzug! Das Tier – womöglich tollwütig – könnte ja eine Menschen beißen! Um die Autofahrer zu warnen, schalten sie Blaulicht ein und nehmen die Verfolgung auf. Zusätzlich verständigen sie über Funk das für den Jagdschutz zuständige Forstamt. Auch in der Dienststelle der Grenzschützer wird dieser Funkspruch gehört. Und weil dort der Verdacht aufkommt, dass der Hund ein Wolf sein könnte, rückt Verstärkung aus. Ob sie den beiden Wolfsjägern beistehen oder von der Verfolgung und Tötung einer besonders geschützten Tierart abhalten wollte, bleibt offen. Es spielt auch keine Rolle mehr, denn bei ihrem Eintreffen ist das Tier bereits tot. Nervös geworden, hatte es versucht seine Verfolger abzuschütteln und war in den nahen Wald geflohen. Die Grenzschützer – inzwischen zu Fuß und mit gezogener Waffe – immer hinterher. Kurz vor dem Ziel mussten sie dann mitansehen, wie sich das Tier in selbstmörderischer Absicht vor einen heranbrausenden Zug warf und überrollt wurde. Es habe noch gelebt, den Kopf gehoben und seine Verfolger angeknurrt. Dafür bekam es den Gnadenschuss.

Der erst nachträglich hinzugezogene Experte aus dem nahen Nationalpark Bayerischer Wald bestimmte den „Hund“ als etwa zwei – bis dreijährigen echten Wolf, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in freier Wildbahn gelebt und sich zuletzt von Abfällen ernährt hatte. Vermutlich war der junge Rüde auf der Suche nach einem neuen Lebensraum von Tschechien nach Bayern übergewechselt. Er hatte keine Chance.

Am 9. Januar 1999 läd das Bundesforstamt Mecklenburg-Vorpommern zur Drückjagd ins Revier Hintersee, Kreis Ückermünde. Im Laufe dieser Jagd erschiesst der Jagdgast Freiherr Ostmann von der Leye vom Ansitz aus einen Wolf. Angeblich ein Gnadenschuss aus Mitleid mit dem hinkenden Tier, das offenbar eine Verletzung am linken Hinterlauf hat. Es sei seine Pflicht als Jäger, so der Erleger, leidende Kreaturen zu töten und zwar auf schnellstem Wege. Dass der Wolf zu einer besonders geschützten Tierart gehört und dass es verboten ist, ihm auch nur ein Haar zu krümmen, ignoriert der ausgewiesenen Trophäenjäger, der nach eigenen Aussagen seit 1940 auf die Jagd geht. Auch, dass sein Status als Gastjäger ihn gar nicht zu einem derartigen „Hegeabschuss“ berechtigt, kümmert ihn nicht. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Ückermünde. Das Verfahren wird gegen Zahlung von 1500 Mark an einen gemeinnützigen Verein eingestellt. Da die „Gesellschaft zur Rettung der Wölfe“ die Annahme dieses Blutgeldes verweigert, schlägt der schneidige Freiherr vor, dem Osnabrücker Zoo eine Wölfin zu spenden.

Gut drei Jahre später, im April 2002, sind in Bayern drei einjährige Wölfe auf der Flucht. Sie haben es geschafft, aus dem Freigehege des Nationalparks Bayerischer Wald zu entkommen. Nur eines der Tiere kann einige Tage später eingefangen werden. Wochenlang entziehen sich die beiden anderen den zum Teil chaotisch ablaufenden Fangaktionen. Bis es kommt wie es kommen muss: Weil die beiden Jungwölfe angeblich eine Gefahr für Menschen darstellen, weil sie aus einem Gehege stammen, seien sie nicht scheu genug(!) – ergeht Schießbefehl. Er wird in relativ kurzer Zeit von Jägern vollstreckt. Damit ist Niederbayern offiziell wieder „wolfsrein“.

Nur neun Monate später, am 19. Januar 2003, erschießt ein Jäger nahe Alfeld im Kreis Hildesheim /Niedersachsen die Wölfin Bärbel. Auch sie ist eine Gehege-Wölfin, die aus einem Tierpark in Klingenthal/Bayern floh und seit Sommer 2002 in Freiheit lebt. Ihr Wanderweg muss sie von Bayern nach Niedersachsen geführt haben. Immer wieder wird sie hier gesichtet, es gibt zahlreiche Zeitungsberichte und das Niedersächsische Umweltamt bestätigt ausdrücklich, dass diese Wölfin den gleichen Schutz genießt wie ein frei geborener Artgenosse. Dennoch feuert ein Jäger, der sie an einem toten Reh antrifft. Seine Meisterleistung: Vollteffer aus 15 Meter Entfernung! Der Schütze hatte nach eigenen Aussagen Angst von dem vermeindlichen aggressiven Hund, der seine Beute verteidigte. Dass der Hund ein Wolf war, will er erst erkannt haben als es schon zu spät war.

Wie in diesen Fällen üblich, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – und alsbald wieder eingestellt. Dem Jäger konnte nicht widerlegt werden, dass der Todesschuss lediglich ein Akt der Selbstverteidigung war. In der Einstellungsverfügung wird dies folgendermaßen begründet: „Aus eigener Sicht heraus habe der Beschuldigte nicht anders handeln können, da er sich von dem „wildernden Hund“, der vermutlich seinen Riss habe verteidigen wollen, auf das äußerste bedroht gesehen habe, und der Schuss für ihn die einzige Möglichkeit gewesen sei, sich des drohenden Angriffs zu erwehren.“ Inzwischen klagt der Wolfstöter selbst – auf Schmerzensgeld, weil er sich seit Bekanntwerden seiner Heldentat wieder bedroht fühlt – diesmal wohl von Menschen.

Am 24. April 2004 spielen sich erneut „Jagdszenen aus Niederbayern“ ab. Da erschießt ein Jäger in der Nähe von Wegscheid im Landkreis Passau ein Tier, größer als ein Schäferhund, das sofort als Wolfmischling oder Bastard bezeichnet wird. Es wurde umstandslos ohne Expertenrat eingeholt zu haben, durch Anordnung der Polizei zum Abschuss frei gegeben. Seine Verbrechen, für die es die Todesstrafe erhielt: Das wolfsähnliches Tier wurde mehrfach in der Nähe eines Wohngebietes beobachtet! Mehrere gerissene Hühner gehen angeblich auf sein Konto! Es soll sich einem Wildgehege genähert haben!

Das in Tageszeitungen veröffentlichte Foto in typischer Trophäenmanier zeigt den stolzen Erleger samt Helfeshelfern mit einem hingestreckten großen Wolf, selbst im Tod noch ein schönes Tier. Kein Mensch, schon gar nicht ein auf diesem Auge blinder Jäger, wäre in der Lage dieses Tier nach dem bloßen Augenschein als Wolf-Hunde-Mischling zu bestimmen. Jetzt, wo es tot ist, hat man genügend Zeit, das nachzuholen. Der Verdacht ist aufgetaucht, dass es sich bei dem Rüde um den inzwischen vier Jahre alten Ferrenz handeln könnte, dem am 5. April 2003 die Flucht aus dem Tierpark Lohberg im Bayerischen Wald gelang. Das allein wäre eine Sensation. Dann hätte nämlich ein „Gehegewolf“, über ein Jahr lang frei unter uns gelebt, sich durchgeschlagen, ohne aufzufallen und ohne Anstoß zu erregen. Bis zu jenem schwarzen Tag, an dem er ins Visier der Jäger geriet…

Ende Mai 2006 wieder in Bayern…

Laut Polizeibericht wird bei Pöcking im Landkreis Starnberg ein überfahrenes wolfsähnliches Tier von örtlichen Jägern geborgen. Die Untersuchung, die vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin durchgeführt wird, bestätigt, dass es sich um einen „echten“ Wolf handelt. Das männliche Tier war geschätzte zwei bis drei Jahre alt und mit seinen gerade mal 30 kg in keinem guten Ernährungszustand. Zudem bringt das Labor der Umweltschutzbiologie der Universität Lausanne durch einen genetischer „Fingerabdruck“ des Wolfes Erstaunliches zu Tage. Der junge italienische Wolf, dessen letzte Spuren Ende März 2006 im Formazzatal nahe der Schweizer Grenze nachgewiesen sind, hatte demnach  eine Strecke von 250 Kilometer Luftlinie bis zum
Starnberger See überwunden!

Das Landratsamt Starnberg gibt die Tatsache, dass sich zumindest bis zu seinem gewaltsamen Tod Ende Mai 2006 ein wildlebender Wolf in Oberbayern aufgehalten hat, erst am 27. November 2006 der Öffentlichkeit bekannt. Die Frage sei erlaubt: Wollten die politisch Verantwortlichen vermeiden, dass während der Hatz auf den Braunbär Bruno, die ja genau in diese Zeit fällt, nicht auch noch ein Wolf ins Spiel kommt? Ein Wolf, der – genau wie der Bär – auch mal ein Schaf nimmt, um seinen Hunger zu stillen? Ein Wolf, von dem man nicht weiß, wie lange er sich schon in der Gegend aufhielt?

Traurig genug: An einem nicht näher bezeichneten Tag Ende Mai 2006 wurde in Oberbayern ein toter namenloser Wolf von örtlichen Jägern gefunden und am 26. Juni 2006 wurde ein junger Braunbär von örtlichen Jägern erschossen.

17. Oktober 2006, Muskauer Heide/Sachsen:
Einem Mitarbeiter des Truppenübungsplatzes fällt eine Ansammlung von Seeadlern und Kolkraben auf. Er geht dem nach und findet neben einer Schießbahn einen toten Wolfswelpen. Das Tier ist zu diesem Zeitpunkt etwa eine Woche tot. Da sein Körper bereits Fraßspuren aufweist, lässt sich das Geschlecht nicht mehr bestimmen. Der Fund kommt umgehend zur weiteren Untersuchung in das Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Berlin. Die Computertomographie ergibt, dass der Körper des jungen Wolfs weder Knochenbrüche noch Geschossteile aufweist. Sein Ernährungszustand ist allerdings nicht besonders gut und sein Mageninhalt besteht hauptsächlich aus Chitinpanzern und Schmeißfliegen. Eine merkwürdige Besonderheit weist dieser Wolf noch auf: Seine mittleren Zehenballen sind an allen vier Pfoten zusammengewachsen. Normalerweise ist das ein Merkmal von Schakalen.

Am 08. Februar 2007 wird in Sachsen auf der Bundesstraße 157 zwischen Boxberg und Weißwasser eine junge Wölfin von einem PKW überfahren. Der Unglücksort befindet sich genau im Territorium des Muskauer-Heide-Rudels. Allerdings meldet der Autofahrer der Polizei, dass er mit einem Wildschwein zusammengestoßen sei. Daher alarmieren die Beamten den zuständigen Revierjäger. Der entdeckt bei der Nachsuche unweit der Straße den etwas neun Monate alten toten Wolf.

Ende April 2007 bei Süsel/Ostholstein:
Auf der Bundestraße 76 überfährt eine Frau einen jungen, etwa einjährigen Wolf. Bei dem Unfall werden seine Leber und Lunge zerfetzt. Das Tier verblutet innerlich. Da Schleswig-Holstein seit 200 Jahren „wolfsfrei“ ist, werden Vermutungen laut, dass das Tier aus einem Gehege, Tierpark oder aus einer illegalen Privathaltung entlaufen sein könnte.
Die genaueren Untersuchung nimmt die Tiermedizinerin Dorit Feddersen-Petersen von der Universität Kiel vor.  Sie stellt fest, dass der Mageninhalt Überreste von Kaninchen und anderen Säugetieren enthält. Was darauf schließen lässt, dass der Wolf kein vorgefertigtes Futter bekam, sondern sein Nahrung selbst erjagt hat. Zudem sei anzunehmen, dass das Tier auf Grund seines schlechten Fellzustandes – es war voller Parasiten, schon längere Zeit auf Wanderschaft war. Möglicherweise handelt es sich um ein aus der Lausitz oder sogar aus Polen abgewandertes Jungtier.

Am 07. August 2007 findet ein Förster auf dem Truppenübungsplatz in der Neustädter Heide  (Oberlausitz/Sachsen) einen toten Wolf. Es ist ein etwa einjähriges Weibchen. Die Untersuchung im Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ergibt, dass die junge Wölfin an inneren Verletzungen gestorben ist. Man geht davon aus, dass sie von einem Zusammenstoß mit einem Wildschwein stammen.

Am 15. August 2007 wird die nächste tote Wölfin in Brandenburg entdeckt.  Ein Waldarbeiter findet das Tier in einem Dickicht südlich der B 87 bei Langengrassau (Landkreis Dahme-Spreewald). Zur ersten Begutachtung des toten Wolfs wird die sächsische Wolfsexpertin Ilka Reinhardt zugezogen. Sie stellt fest, dass es sich um ein ein- bis zweijahriges Wölfin handelt, deren Todesursache sich nicht durch Augenschein bestimmen läßt. Deswegen wird der Tierkörper, der schon Verwesungserscheinungen aufweist, in das Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) gebracht, damit mit Computertomographie und Sektion die genaue Todesursache ermittelt werden kann. Eine Woche später steht das Ergebnis fest:  Die Wölfin wurde offenkundig erschossen. In ihrem Körper steckte noch das Projektil. Nach Experten-Meinung handelt es sich bei den gefundenen Metallsplittern um Reste eines  preisgünstigen Teilmantelgeschosses, wie es von Jäger verwendet wird.  Die Schußwunde im Bereich des oberen linken Vorderlaufs zerfetzte beim Eintritt wichtige Blutgefäße und der daraus resultierende starke Blutverlust führte zum langsamen Tod der Wölfin. Sie muss sich aber noch etwa drei Kilometer bis zum Fundort geschleppt haben und erst dort gestorben sein.  Demnach muss die Wölfin eine Blutspur hinterlassen haben, der niemand – auch nicht der Erleger – nachgegangen ist. Nachdem sich der Verdacht auf einen illegalen Wolfsabschuss erhärtet hat, erstattete das Forstamt Luckau Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Für sachdienliche Hinweise, die zur Klärung der Tat führen, setzt der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) eine Belohnung von 1.000 Euro aus.

Anfang Februar 2008 stellt die Cottbuser Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Der Täter konnte nicht ausfindig gemacht werden, sagte Oberstaatsanwalt Nothbaum. Befragungen von Jägern in der Region seien erfolglos geblieben. Zudem seien die im Wolfskörper gefundenen Geschoßteile zu klein gewesen, um sie einem bestimmten Waffentyp zuordnen zu können.

Am 15.12.2007 wurde in Niedersachsen nahe der Ortschaft Gedelitz im Landkreis Lüchow-Dannenberg wieder ein Wolf erschossen.
Während einer Gesellschaftsjagd haben zwei Jäger, 46 und 51 Jahre alt, das Tier beschossen und schließlich mit einem Fangschuß aus nächster Nähe getötet. Nach Aussagen der Schützen wies das Tier, das sie nach eigenen Aussagen auch als Wolf erkannt hatten, bereits eine Schussverletzung am Bein auf. Sollte das den Tatsachen entsprechen, muss zuvor bereits ein anderer Jäger auf das Tier angelegt und ihm eine üble, jedoch nicht tödliche Verletzung beigebracht haben.
Die genauere Untersuchung des 37 Kilo schweren und eindeutig „wilden“ Wolfsrüden ergab einen Einschuss auf dem Nasenrücken, eine zerschossene linke Pfote, ein Einschuss im hinteren Lendenwirbelbereich und einen vierten, den sogenannten Fangschuss.
Angesichts von mindestens drei Schützen, die auf den Wolf geschossen haben sollen, wird es den Jägern schwerfallen, diese Tat als bedauerliches Versehen eines einzelnen „schwarzen Schafes“ auszugeben. Die Waffen wurden für die kriminalistische Untersuchung eingezogen. Das LKA – Hannover ermittelt.

Am 04.08.2008 erließ das Amtsgericht Dannenberg gegen die beiden Jäger wegen Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz Strafbefehle über 10.800 und 4000 Euro. Außerdem wurde dem Jüngeren ein Vergehen nach dem Tierschutzgesetz vorgeworfen. Da beide Männer den Strafantrag nicht akzeptieren, wird es noch ein Verfahren geben. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden feuerten die beiden Jäger insgesamt viermal auf das geschützte Tier. Später haben sie erklärt, sie hätten den bereits verletzten Wolf nur von seinen Qualen erlösen wollen. Das Gutachten der Tierärztlichen Hochschule Hannover habe jedoch ergeben, dass der Wolfsrüde trotz einer vorherigen Schussverletzung am linken Vorderlauf überlebensfähig gewesen sei. Das Tier habe sich noch auf drei Beinen fortbewegen können, erklärte sie Staatsanwältin. Den Jäger, der dem Wolf den ersten Schuss ins Bein beigebracht hatte, habe allerdings trotz umfangreicher Ermittlungen nicht ausfindig gemacht werden können.

Am 22. Januar 2009 entdecken Spaziergänger in der Oberlausitz im Wald zwischen dem Tagebau Reichwalde und Kreba (Kreis Görlitz) einen toten Wolf. Es handelt sich um ein junges weibliches Tier. Routinemäßig wird die tote Wölfin zur Untersuchung ins Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin gebracht. Das Ergebnis liegt jetzt vor: Demnach starb die junge Wölfin an einer Schussverletzung! Laut Gutachten des Instituts zerfetzte das Geschoss nicht nur den Darm des Tieres, sondern auch die Leber und andere innere Organe. Die Wölfin starb höchstwahrscheinlich erst nach ein bis zwei Tagen an den Folgen einer Blutvergiftung, nachdem Darminhalt in die Bauchhöhle gelangt war. Ein grauenhafter, qualvoller Tod! Das heisst aber auch, dass der Fundort nicht unbedingt der Tatort ist. Was wiederum die Jägerschaft vor Ort mit Genugtuung anmerkt. Das zuständige Landratsamt hat Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft erstatten.
Am 03.03.2009 wird dieser Wolfsabschuss vom Deutschen Jagdschutz-Verband (DJV) und dem Landesjagdverband Sachsen „scharf verurteilt“. Am 06.03.2009 werden von NABU, WWF, Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und dem Freundeskreis freilebender Wölfe 10.000 Euro für Hinweise zum Tod der erschossenen Wölfin ausgesetzt.

Am 06. Juni 2009 wurde gegen 21.30 Uhr im Raum Tucheim im Jerichower Land/Sachsen-Anhalt wieder ein Wolf erschossen. Während einer Ansitzjagd auf Rehböcke, an der über 50 Jäger teilnahmen, feuerte der Täter (48), auf das geschützte Tier. Er hat den Wolf, der angeblich dabei war, ein Reh zu reißen, durch einen Kopfschuss getötet. Das tote Tier wurde zunächst in einer Wildkühlkammer aufgehängt (siehe Foto), und dann zur wissenschaftlichen Untersuchung an das Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin transportiert. Dort soll u.a. Alter und genetische Herkunft festgestellt werden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem getöteten Rüden um einen der beiden Wölfe, die sich seit Mitte 2008 auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow aufhalten. Vermutlich hat die zurückgebliebene Wölfin Welpen zu versorgen. Was besonders tragisch ist, weil dem Wolfsrüden bei der Aufzucht und Versorgung der Jungen eine unverzichtbare Rolle zukommt und die Jungen ohne seine Mithilfe wenig Überlebenschancen haben.
Der Hobby-Jäger, dessen Identität bekannt ist, muss sich jetzt strafrechtlich verantworten. Die vorsätzliche Tötung einer streng geschützten Tierart kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden. Dieses Strafmaß wurde allerdings in ähnlich gelagerten Fällen noch nie angewandt. Nicht zuletzt, weil Vorsatz kaum zu beweisen war und in der Regel Fahrlässigkeit angenommen wurde.

Der zuständigen Kreis Jerichower Land hat umgehend Jagdschein und Waffe eingezogen und Strafanzeige gegen den Jäger gestellt. Außerdem weist er in seiner Pressemitteilung vom 09.06.2009 ausdrücklich darauf hin, dass es im Landkreis jagdliche Praxis sei, „dass auf freilaufende Hunde nicht geschossen wird. Demzufolge kann sich der betreffende Jäger auch nicht auf eine Verwechslung des Wolfes mit einem Hund beziehen.“