Von interessierter Falknerseite wird immer wieder behauptet, dass Greifvogelaushorstungen in Deutschland nicht mehr vorkommen, weil der Bedarf durch Zucht gedeckt wird und die Nachzuchten erschwinglich sind. Falknerorganisationen verweisen auf ihre Zuchterfolge und auf die angeblich geringen z.B. für Wanderfalken erzielbaren Preise.
Ein aktueller Fall in Brandenburg und Sachsen zeigt wieder einmal in erschreckender Weise, in welchem Umfang Greifvögel auch in Deutschland illegal ausgehorstet werden. Er bestätigt Greifvogelschützer und ihre Aussagen, dass der illegale Handel weiterhin einen erheblichen Umfang hat und eine Bedrohung für viele Arten darstellt. Die Täter erzielten mehrere 100.000 Euro Gewinn.
Aufgrund eines Hinweises der RSPB (Royal Society for the Protection of Birds) führten die Landeskriminalämter Brandenburg und Sachsen umfangreiche und aufwendige Ermittlungen mit hohem technischen und personellen Aufwand durch. Am 26. Juni 2001 wurden bei vier Verdächtigen Durchsuchungen der Wohngrundstücke durchgeführt und über 70 lebende Greifvögel und Eulen sowie zwei Kolkraben beschlagnahmt. Die zwei Haupttäter beides bekannte Jäger und Falkner, kamen in Untersuchungshaft. Der Drahtzieher mit besten Beziehungen zu Greifvogelhändlern mit zweifelhaftem Ruf sitzt weiterhin in Haft. Der zweite Haupttäter ist nach einem umfangreichen Geständnis vorerst wieder auf freiem Fuß. Sie haben langjährige Haftstrafen wegen schwerer Jagdwilderei, illegalem Handel, mittelbarer Falschbeurkundung sowie Betrug zu erwarten.
Ermittlungen ergaben, dass die Gruppe allein in den letzten fünf Jahren über 80 Habichte, mehr als 70 Kolkraben, 66 Rotmilane, 19 Schwarzmilane und 14 Sperber ausgehorstet, in Jagdzeitschriften annoncierte und verkaufte. Abnehmer waren Falkner, Burgfalknereien und Greifvogelschauen in Deutschland und umliegenden Ländern, wobei Österreich und Spanien eine besondere Rolle spielten. Über mehrere Jahre waren die Greifvogelzüchter durch ihre „Schnellen Brüter“ in der Szene bekannt geworden und sie konnten mit den vielen Aushorstungen den Markt kaum befriedigen. Gerne wurde gutgläubig oder wohlwissend von Tiersammlern und Falknern auf diese Vögel zurückgegriffen.
Es wurden Eier oder kleine Dunenjunge entnommen, damit sie noch mit geschlossenen Ringen gekennzeichnet werden konnten. Diese Kennzeichnungsmethode sollte als Beweis für Gefangenschaftsnachzucht dienen. Wie man sieht taugt diese Methode nicht als Beleg. Nur der DNA-Abstammungstest gibt tatsächlich den Behörden die Sicherheit, dass die von den Haltern behaupteten Zuchten auch stimmen. Damit die Aushorstungen nicht auffielen, ließ man zur Tarnung meist einen Jungvogel zurück. Zur Vermeidung von Kletterspuren wurde der untere Teil der Bäume meist mittels Strickleiter oder Anstellleiter überwunden. Jahrelang wurden die ausgehorsteten Vögel bei der zuständigen Naturschutzbehörde als Nachzuchten deklariert, obwohl derlei Zuchterfolge biologisch unmöglich sind. Bis zum vergangenen Jahr wurden auch ohne Probleme dafür CITES-Bescheinigungen und EU-Vermarktungsgenehmigungen ausgestellt. Genetische Untersuchungen bestätigten die Aussage von Greifvogelexperten, dass solche Zuchterfolge utopisch sind und alle Alarmglocken hätten läuten müssen: die Zuchten hätten keineswegs ungeprüft von den Behörden akzeptiert werden dürfen.
Da für Kolkraben nach den Vorschriften der Bundeswildschutzverordnung (BWildSchV) keine besonderen Handelsdokumente vorgeschrieben sind, wurden sie gegen Quittung und ohne Kontrolle der Jagdbehörde verkauft, obwohl z.T. nicht ein einziger Altvogel im Bestand der Wilderer war. Selbst Stadtverwaltungen und Filmtierschulen haben sich mit diesen Tieren eingedeckt. Bei heimischen Greifvögeln, die alle nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zu den „streng geschützten Arten“ zählen und in der EU-Verordnung 338/97 zur Umsetzung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) im Anhang A aufgeführt sind, ist eine EU-Vermarktungsgenehmigung erforderlich. Diese kann nur für gezüchtete Tiere und nicht für Naturentnahmen erteilt werden. Der Staatsanwalt ermittelt nun auch gegen Mitarbeiter der zuständigen Naturschutz- und Jagdschutzbehörden.
Die BWildSchV verbietet die Haltung von 17 heimischen Greifvogelarten und lässt lediglich für Falkner insgesamt zwei Exemplare der Arten Habicht, Wanderfalke oder Stainadler zu. Ausnahmemöglichkeiten für die anderen Arten bestehen nur für wissenschaftliche Lehre und Forschung, Aussetzungsprojekte, Pflegestationen und Zoos der Öffentlichen Hand. Somit sind Haltung und Schaustellung z. B. von Milanen, Bussarden und Turmfalken in privat geführten Zoos, bei Privatpersonen, Falknern oder auf Falkenhöfen verboten- und auch nicht genehmigungsfähig. Wie die Jagd- und Naturschutzbehörden diese Verbote der BWildSchV in Deutschland umsetzen, kann jeder Besucher privater Zoos und von Greifvogelschaubetrieben erleben; fast überall finden sich diese Arten, ohne dass die Behörden
einschreiten.
Der Fall zeigt wieder deutlich, dass viele Naturschutzbehörden überfordert oder nicht gewillt sind, ihren Aufgaben nachzukommen. Eine alte Forderung der Naturschützer, dass bei Greifvögeln und anderen bedrohten Arten Jungvögel von den Naturschutzbehörden nur dann akzeptiert werden sollten, wenn eine amtlich überwachter DNA-Fingerprint die Zuchtbehauptung beweist, wurde (hiermit erneut) bestätigt.
Ein Großteil der beschlagnahmten Greifvögel wurde ausgewildert. 13 diesjährige Rotmilane wurden einem Wiederansiedlungsprojekt der RSPB in Schottland zugeführt.
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